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Vogt, Schultheiß und Bürger­meister – frühe dörfliche Verwaltung

dorfverwaltung Veröffentlichung im Gemeindeblatt unter „Gemeinde im Blickpunkt” im Oktober 2017. Text Susanne Kaiser-Asoronye.

Die Anfänge im Mittelalter
Das frühmittelalterliche Dorf war meist eine geschlossene Ansiedlung von Bauernhöfen mit nur wenigen Einwohnern, oft als Nachfolge von fränkisch-alemannischer Besiedelung. Die Dorfgemeinde bildete eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft. Sie verfügte über gemeinsame Anlagen und regelte viele ihrer Angelegenheiten selbständig.

Eine ähnlich lose Ansiedelung von Höfen mag der Ort Stein auch gewesen sein, als ritterlicher Adel um 1000 n Chr. am Fuße des Eiselberges eine Tiefburg errichtete, umgeben mit Mauern und Graben. Die „Feste Stein“ war gegründet und das Dorf ent­wickelte sich drumherum weiter. Die adeligen Ritter bestimmten weitgehend das Leben im Dorf. Vom damaligen Rittergeschlecht wird Heinrich von Stein um 1240 n. Chr. in einer Urkunde erstmals erwähnt. Um 1353 kam Burg und Dorf in den Besitz des Markgrafen von Baden, die markgräfliche Ordnung hielt Einzug in den Ort.

In Königsbach fand eine ähnliche Entwicklung statt. Zwischen 900 und 1200 baute sich ein Edelmann am Hohberg einen verteidigungsfähigen Wohnsitz – das „Steinhaus”, in dessen Nähe weitere Anwesen entstanden. Das alte Königsbach lag demnach nicht im Tal, sondern an den Hängen des Hohbergs und des Kirchbergs. Die Herren von Königsbach, so wurde das Adelsgeschlecht nach ihrem Wohnort genannt, stellten die alleinige Grundherrschaft des Ortes dar. Mitte des 13. Jahrhunderts allerdings trat eine Zersplitterung der Besitzverhältnisse ein. Sehr zum Nachteil des Dorfes und seiner Bewohner.

Am meisten angesehen von den Dorfbewohnern waren der „Meier”, der Verwalter des Hofes, der dem Grundherrn gehörte, und der „Schultheiß”. Dieser besaß meist einen großen und von dem Grundherrn mit besonderen Rechten ausgestatteten Hof, und vertrat die Obrigkeit im Dorf. Mit ihnen zusammen saßen die „Voll- oder Hufenbauern”, die ca. ein Drittel der dörflichen Bevölkerung ausmachten, in der Gemeindeversammlung.

Nur diese Oberschicht besaß das uneingeschränkte Nutzungsrecht an der Allmende, den gemeinschaftlichen Wiesen und Feldern. Die Mehrheit der dörflichen Bevölkerung stellten dagegen die Kleinbauern, die wenig oder fast gar kein Land und nur ein Häuschen besaßen und deshalb ihr Brot im Taglohn bei größeren Bauern verdienten. Dort lebten auch Knechte und Mägde als
Gesinde gegen Unterkunft, Kost und einen geringen Lohn. Ferner gab es Handwerker, die ein Dorfgewerbe ausübten, z.B. als Weber, Schuster oder Schneider.

Jeder Dorfbewohner war aber mehr oder weniger von seinem Grund- und Gerichtsherrn abhängig. Denn bis ins Spätmittelalter war die Leibeigenschaft in Baden der gewöhnliche Rechtszustand der nicht-adligen Bevölkerung. Das Wort stammt aus dem Mittelhochdeutschen: „mit dem libe eigen” = mit dem Leben zugehörig, also unfrei. Die Leibeigenschaft wurde durch die Geburt begründet. Ausschlaggebend war in erster Linie der Stand der Mutter. Leibeigene waren zu Frondienst verpflichtet und durften nicht vom Gutshof des Leibherrn wegziehen, nur mit Genehmigung heiraten, mussten seiner Religion angehören und unterlagen seiner Gerichtsbarkeit.     

Ämter und Verwaltung
Während Stein Mitte des 14. Jh. markgräfisch wurde und durch Erlass und Zuzug markgräfischer Beamten sogar für fast 500 Jahre zum „Amt Stein” wurde, musste sich zu der Zeit in Königsbach der Markgraf mit zwei Siebteln des Ortes zufrieden geben und sich zuerst mit dem Kraichgauer Rittergeschlecht „von Venningen” und später mit den Freiherren von Saint André die Macht im Ort teilen. Trotz der Abhängigkeit vom Grund- oder Landesherren hatte die Dorfgemeinde Verwaltungsfunktionen und übten die niedere Gerichtsbarkeit aus.

– Der Schultheiß (von althochdeutsch sculdheizo „Leistung Befehlender”) bezeichnet einen, „der Schuld heischt”. Er hatte im Auftrag seines Herren die Mitglieder einer Gemeinde zur Leistung ihrer Schuldigkeit anzuhalten, also Abgaben einzuziehen oder für das Beachten anderer Verpflichtungen Sorge zu tragen. Er war meist auch Richter der niederen Gerichts­barkeit (Eigentumsdelikte, Erbstreitigkeiten, Körperverletzung, Beleidigungen) und sorgte  für die Vollstreckung von Urteilen Er war Ortsvorsteher im Sinne eines heutigen Bürgermeisters. Der erste in Königsbach genannte Schultheiß war Conrad Ode, 1609 „gew. Schulth. u. Venningischer Amtmann”. In Stein hingegen war dies 1476 ein Conrad v. Nyffen.    

– Der damalige „Bürgermeister“ hatte die Funktion des heutigen Gemeindepflegers, er war in den meisten Fällen zunächst Gemeindeschreiber und -rechner und dem Schultheiß untergeordnet. In Württemberg z.B. wurde die Amtsbezeichnung Schultheiß für den Ortsvorsteher erst am 1. Dezember 1930 durch Bürgermeister ersetzt.

– Der Amtmann war oberster Dienstmann eines vom Landesherrn zur Territorialverwaltung von Gutshöfen, Burgen und Dörfern geschaffenen Amtes, das zugleich ein Verwaltungs- und Gerichtsbezirk war. Er gehörte meist dem Adel oder dem Klerus an, in Städten oft auch den wohlhabenden Schichten des Bürgertums. Er residierte im Amtshaus und trieb im Amtsbezirk die Steuern ein, sprach Recht und sorgte mit einer kleinen bewaffneten Einheit für Sicherheit und Ordnung. Da Stein lange Zeit Amtsrecht hatte, war dort auch Sitz des Amtmannes.

– Der Vogt, auch Voigt oder Fauth, stammt aus dem Mittelhochdeutschen und ist letztlich entlehnt aus lat. advocātus „Rechtsbeistand, Sachwalter, Anwalt”. Er bezeichnet allgemein einen herrschaftlichen, meist adeligen Beamten des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Vögte übernahmen im Auftrag weltlicher Herrscher Verwaltungsaufgaben. Sie legten Steuern fest und zogen diese ein, sie hielten Gericht und ahndeten Vergehen. So wurde z.B. 1452 Erhart von Königsbach zum „Fauth” zu Stein gewählt und sein Sohn Hans war Obervogt in Pforzheim und der letzte seines Namens. Auch von „Ludwig von Stein”  ist bekannt, dass er den Ort verlassen hatte und Vogt von Heidelsheim (1354) und 1361 Vogt von Bretten war. Danach verliert sich die Spur dieser Adelsfamilie.