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Hermann Weinbrecht, der "Amerika-Onkel"

Weinbrecht 04156FKSG-04156. Familienbild während des 1. WK: Vater August Weinbrecht (*1870 †1949), Goldarbeiter, und seine Frau Ernstine geb. Kammerer (*1870 †1955) aus Königsbach mit den Söhnen Emil (hinten), Hermann (sitzend) und Robert. (Original: Robert Weinbrecht)

Den älteren Steinern wird aus Nachkriegszeiten der "Amerika-Onkel" noch in guter Erinnerung sein. Wir haben nachgeforscht, was es damit auf sich hat:
Hermann Weinbrecht wurde im Februar 1904 in Stein geboren, wo er auch aufwuchs. In der Zeit des ersten Weltkriegs erlebte er, 10- bis 14-jährig, die Not der Kriegszeit. Sein Vater war mit über 45 Jahren der älteste, sein großer Bruder der jüngste Kriegsteilnehmer aus Stein.

Nach dem Krieg kam die Inflation (1914 bis 1923) und die daraus resultierenden Folgen für Mensch und Wirtschaft. Das Geld war wertlos geworden und reichte kaum mehr zur Versorgung der Familie. In der Zeit erlernte Weinbrecht den Beruf des Werkzeugmachers, den er nach der Lehre in Pforzheim ausübte. Auch wenn in Deutschland mit der Einführung der Reichsmark 1924 eine Phase der Stabilisierung eintrat, erholten sich die Menschen im ländlichen Stein nur langsam von den Auswirkungen. Politisch vollzog sich im Land eine Wende nach rechts. Damit stand das Deutsche Reich am Beginn eines Weges, der in Terror und Diktatur endete.

1927 entschloss sich Weinbrecht zur Auswanderung in die USA und landete in Chicago, wo er weiterhin in seinem erlernten Beruf als Werkzeugmacher tätig war. Es folgte die Machtergreifung Hitlers und der zweite Weltkrieg. Ab Kriegsende sendete Weinbrecht Schokolade an die Kindergartenkinder und Volksschüler von Stein. Er vergaß auch seine Vereine, Turngesellschaft und Gesangverein, nicht und schickte auch ihnen hin und wieder Pakete mit damals so wertvollem Inhalt.

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Im Jahr 1951, nach 24 Jahren Abwesenheit, besuchte Weinbrecht erstmals wieder seine Heimatgemeinde Stein. Das war der Pforzheimer Zeitung einige Zeilen wert; am 05.05.1951 stand darin: "Besuch aus Amerika. Seit einigen Tagen weilt Herr Hermann Weinbrecht, mit Frau aus USA hier zu Besuch. Der Männergesangverein „Freundschaft" brachte seinem ehemaligen Sangesbruder ein Ständchen." Und am 31.05.: "Herr Weinbrecht und Frau haben seit ihrer Ankunft bereits zahlreiche Pakete Schokolade an die hiesigen Kinder und Volksschüler verteilt. Bürgermeister Hottinger dankte im Namen der Gemeindeverwaltung für diese Spende."

Weitere Besuche folgten, bis Weinbrecht, inzwischen Wittwer und in Rente, im Jahr 1972 dauerhaft nach Stein zurückkehrte. Er verheiratete sich in zweiter Ehe mit Frieda Weinbrecht (*1922 †2004). 1985 verstarb Hermann Weinbrecht, der "Amerika-Onkel" aus der Nachkriegszeit, in seinem Geburtsort im Alter von 81 Jahren.

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Foto rechts: FKSG-03867Hermann Weinbrecht, der "Amerika-Onkel", bei seinem Besuch 1951 in Stein. Im Hauseingang seine Frau Else, links Schwester Anne, ganz rechts Gerda Kaucher. (Original: Anneliese Seiter)

 

Links: Auch zum 80sten Geburtstag widmete die Pforzheimer Zeitung Hermann Weinbrecht einen Artikel. PZ vom 04.02.1984, Seite 16.