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Ortsbeschreibung 1894 und 1896  |  Hauptlehrer Sigmund und Pfarrer Böhringer  |  Teil 3 - Aberglaube, Tod und Beerdigung

OB KW35 OGK 03944 fbFKSG-03944, Im Jahr 1924/25: Beerdigungszug zwischen Kirchstraße 8 und Pfarrhaus. Voran die Mädchen/Konfirmandinnen Jahrgang 1909/1910. Dann die Männer mit ihren Zylinderhüten, danach erwachsene Frauen in Trauerkleidung. Es folgt die Leichenkutsche mit dem Sarg, von zwei Pferden gezogen. Auf dem Kutschbock wahrscheinlich Wilhelm Jung. Dahinter die restliche Trauergemeinde. Original Gudrun Schestag

Im Verlauf des Manuskripts erzählt der Hauptlehrer von den Bräuchen und dem Aberglauben, welcher im Dorf herrschte: Die „Hexen” walteten namentlich im Stall, deshalb wurden an die Stalltüren in der Christnacht drei Kreuze gemacht und schwarze Geißböcke gegen die Hexen gehalten wurden. In der Christnacht wurde zudem Heu unter das Dach gelegt und am anderen Morgen an das Vieh verfüttert, damit während des ganzen Jahres nichts an das Vieh kommt.

Damit die Milch nicht verhext wurde, kamen folgende Zeichen immer an die Stalltür: *K*M*B; das hieß Kaspar, Melker, Balties (richtig wäre: Kapar, Melchior, Balthasar). Mehrmals sollen den Pferden von den Hexen während des Nachts aus dem Kammhaaren Zöpfe geflochten worden sein. Morgens kam dann der Beschwörer mit glühendem Eisen, um die Hexen zu bannen. Der Hexenbanner ist vielen Leuten noch in Erinnerung. Ein anderer Aberglaube war, einen Matzen an die Wand zu nageln, dies sollte gegen Blitzschlag schützen.

Über Sterben und Tod und die damit verbundenen Bräuche und Aberglauben berichtet Hauptlehrer Sigmund: Bei eintretender Krankheit wird der Arzt geholt, früher vielfach ein „Quacksalber”. Vorboten des Todes sind der Ruf des Käuzchens (gen. Todesvogel), außerdem eine weiße Frucht auf dem Acker, z.B. eine weiße Runkelrübe oder Meerrettich usw. Wächst dieses nach der Ackergrenze, so bedeutet es Tod in der Verwandtschaft. Bei eingetretenem Tod wird das Fenster geöffnet, damit die Seele entweichen kann. Zudem alle Geräte und Möbel von der Stelle gerückt und das Weinfass geschüttelt. Leichenwache halten Verwandte und Männer, welche den Toten auf den Kirchhof tragen. Die verstorbene Wöchnerin erhält eine Schere und ein Kinderjäckchen mit in den Sarg. Unter dem Geläute der Glocken setzt sich nach vorausgegangenem Gesang der Kinder der Zug in Bewegung. (Anmerkung: vom Haus des Toten, wo die Leiche aufgebahrt wurde, bis zum Friedhof.) Ist der Verstorbene männlichen Geschlechts, so folgen zuerst die Männer, voraus die Verwandten, Brüder, dem Alter nach. Bei weiblichen umgekehrt. Der Tote wird getragen. Beim Ausrufen Gesang der Kinder, ebenso am Grab. Gebet, Versenkung des Sarges unter Gesang. Predigt in der Kirche. Trauertracht bei Männern schwarzes Band am Hut oder Arm, bei Frauen schwarze Kleider. Trauerzeit 1 Jahr. Sobald der Tote im Traum erscheint, soll nicht mehr um ihn geweint werden.

Auch Pfarrer Böhringer widmet in seiner Ortsbeschreibung von 1896 einige Zeilen dem Tod. Er beschreibt z.B. dass Selbstmörder nun auch auf dem Friedhof in geweihter Erde begraben würden und die Beerdigung sich in nichts von herkömmlichen Beerdigungen unterschied. Ferner schrieb er: Die Gräber werden nach dem Lebensalter der Gestorbenen in Gräber für Kinder und für Erwachsene unterteilt. Sämtliche Gräber tragen Schmuck von Blumen oder von Blechkränzen, in den Grabsteinen noch Kreuze, Segensweisungen zum Glauben. Kirchen- und Gräberspuk bis zum Leichensteinwasser sind unbekannte Dinge.

Zur Erklärung: Dem völkischen Aberglauben nach dient das von einem Grabstein gesammelte Wasser zur Heilung von manchen Leiden – wenn es getrunken oder als Waschwasser benutzt wurde. In einem antiquarischen Medizinbuch steht z.B. über die Behandlung von Warzen: „Oder gehe des Morgens früh wenn es geregnet hat, stillschweigend auf den Kirchhof, wasche dich mit dem Wasser, das auf einem Leichenstein stehen geblieben ist; gehe stillschweigend wieder zurück, dann vergeht sie”. Solche Rituale wurden laut Böhringer in Königsbach-Stein nicht bzw. nicht mehr ausgeübt.